Impressionen vom Altstadtgespräch am 5. Juli im Weingut der Stadt Alzey
Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Frau Prof. Dr. Maria Böhmer kam nicht mit leeren Händen zum 9. Altstadtgespräch in den Hof des Weingutes der Stadt Alzey..... WEITERLESEN
Sie überreichte dem Vorstand des Altstadtvereins Alzey einen kostbar gerahmten Druck bzw. eine Fotografie von 1901, auf dem ihr Großvater mit anderen Schülern vor der im Hintergrund arrangierten Kulisse der Alzeyer Winterschule sitzt – ein sehr passendes Geschenk, denn um den Erhalt dieses Gebäudes hatte der Altstadtverein Ende der 1970er Jahre (leider vergeblich) gekämpft.
Vorher hatte sie in einem spannenden Vortrag von ihrer Arbeit in der Deutschen UNESCO-Kommission berichtet, ohne den Bezug zu Alzey und auch zum Altstadtverein zu verlieren. Sie ist seit 14 Jahren Mitglied des Vereins.
Das Geschenk, ein Erbstück, ist Zeitzeuge und Beweis der tiefen Verwurzelung ihrer Familie in Alzey. Schon als Kind war sie sich der Geschichte Alzeys bewusst und ist dadurch geprägt worden. Auf dem Schulweg sah und bewunderte sie jeden Tag das schöne, geheimnisvolle Haus Heimerle und war entsetzt, als es eines Tages abgerissen wurde. Später als Schülerin des Gymnasiums am Römerkastell waren die gerade frisch ausgegrabenen Grundmauern des Kastells neben der Schule Zeugen der 2000 Jahre alten römischen Geschichte der Stadt. Ihr erster Schulausflug ging nach Worms auf den Jüdischen Friedhof, und viele Jahre später konnte sie als Präsidentin die drei SchUM-Städte Speyer, Worms und Mainz bei der Nominierung und Aufnahme als UNESCO Weltkulturerbe begleiten. Damit wurde die 1700 Jahre alte Jüdische Kultur in Deutschland gewürdigt.
Während der Veranstaltung beantwortete sie auch Fragen aus der Zuhörerschaft, z.B. „Wie wird ein Bauwerk, ein Brauch, eine Landschaft zum Weltkulturerbe?“ Sie erklärte und gab Beispiele aus der Region vom Oberen Mittelrheintal bis hin zum Great Barrier Reef in Australien. Wird ein Antrag abgelehnt, so kann man sich nicht noch einmal bewerben – beantwortete sie eine andere Frage – es sei denn, man zieht den Antrag vorher zurück und überarbeitet diesen. Die Kommunikation der Antragsteller mit der UNESCO-Kommission hat sich seit Amtsantritt von Böhmer (2018) verbessert. Verlor das Elbtal um Dresden durch den Bau und der begleitenden unschönen Auseinandersetzungen um die Waldschlösschen-Brücke noch die Auszeichnung Welterbe, so kann das Obere Mittelrheintal dank vieler Abstimmungsgespräche davon ausgehen, dass der geplante Bau einer Rheinbrücke mit dem Welterbetitel vereinbar ist, wenn die entsprechenden Kriterien beachtet werden.
Der Beginn der Corona-Pandemie vor zwei Jahren hatte trotz der vielen Einschränkungen durch das Umsteigen auf Video-Konferenzen, den überraschenden Effekt, dass sich wieder mehr Jugendliche für die Organisation interessieren und Projekte mitgestalten, vielleicht durch das für die Jugend leichter zu handhabende Medium. Zusätzlich ist auch die mediale Präsentation der Bauwerke durch Luftaufnahmen mit Drohnen verbessert und attraktiver gemacht worden.
Leider hat der Kriegseinfall Russlands in die Ukraine am 24.2.2022 die Arbeit der weltumspannenden Kommission schwieriger gemacht. Neben den unzähligen sinnlosen Menschenopfern ist die Zerstörung vieler wertvoller Bauten zu beklagen. Die Welterbesitzung – in diesem Jahr unter dem Vorsitz Russlands in Kasan – ist deshalb verschoben worden. Das ist aber nur eine erste Maßnahme.
Das schöne Ambiente des Stadtweinguthofes, der freie und sehr informative Vortrag der Referentin und das anschließende Beisammensitzen bei einem Gläschen Wein und Gebäck, zu dem der Altstadtverein alle einlud, sorgte für einen besinnlichen und sehr gelungenen Abend.